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DIE STILLE REVOLUTION
an der Fleischtheke

In-Vitro-Fleisch wird noch erforscht, sorgt aber schon jetzt für Aufsehen. Als vielversprechender Fleischersatz steht dieser für weniger Umweltbelastung und höheres Tierwohl. Und das bei gleichbleibendem Genuss. In-Vitro-Fleisch, ist - neben zahlreichen Fleischersatz-Produkten – eine echte Alternative zu konventionellem Fleisch. Sind die Tage der Massentierhaltung schon bald gezählt? Wer weiß.

BEITRAG VON

FYNN Strategist Thomas Oberrauch
Thomas Oberrauch
Strategist

Die industrielle Fleischproduktion steckt in einer Krise. Mit beunruhigender Regelmäßigkeit dringen immer wieder Schreckensmeldungen und Skandale an die Öffentlichkeit, die selbst dem zartesten Steak einen faden Beigeschmack verleihen. Doch trotz unzumutbaren Zuständen in der Massentierhaltung, ausgebeuteten Schlachthofmitarbeitern und gesundheitsgefährdenden Inhaltsstoffen – von den massiven Umweltschäden ganz zu schweigen, hält der Hunger nach Fleisch in der Bevölkerung an. Nach Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) könnte sich der weltweite Fleischbedarf bis 2050 fast verdoppeln.

 

 

DAS EWIGE HICK-HACK: GENUSS ODER GEWISSEN
Ein Kunde an der Fleischtheke des Supermarktes muss sich entscheiden: einerseits die Lust auf preiswertes Fleisch, anderseits das schlechte Gewissen. Doch dieser gedankliche Kampf könnte bald der Vergangenheit angehören. Denn neben den zahlreichen Fleisch-Ersatzprodukten aus Pilzen, Erbsen und sonstigen pflanzlichen Rohstoffen könnte In-Vitro-Fleisch den Markt nachhaltig prägen.

 

Als eine komplett neue Art der Fleischherstellung, kann das sogenannte „Clean Meat“ theoretisch ohne Lebendtiere auskommen. Aufzucht, Haltung und Schlachtung sollen so wegfallen, was den Arbeitsprozess verkürzen und Schlachtabfälle gar nicht erst entstehen lassen würde. Und das alles bei einem geringen Ressourcenverbrauch im Verhältnis zur heutigen Nutztierhaltung. Denn die Herstellung eines In-Vitro-Fleischpattys benötigt im Vergleich zu herkömmlichem Fleisch nur ein Zehntel an Wasser und gerade einmal ein Hundertstel an Land.

 

 

VIEL THEORIE. UND VIELE BEDENKEN.
Wie erwähnt, ist für die Herstellung von In-Vitro-Fleisch nicht zwangsläufig ein Lebendtier notwendig. Theoretisch zumindest. Das Fleisch besteht grundsätzlich aus dem Muskelgewebe eines ausgewachsenen Tieres und dem Blut eines Embryos, die in einer speziellen Flüssigkeit aus Zucker, Aminosäuren, Mineralien und Vitaminen zu tausenden Muskelfasern heranreifen. Diese Inhaltsstoffe werden vor jeder Herstellung per Muskelbiopsie von lebenden Tieren entnommen – die während dieser Prozedur sterben. Dabei handelt es sich aber um den Status Quo.

 

So sollen zukünftige Entnahmen für die Produktion immer größerer Fleischmengen dienen, sodass immer weniger Lebendtiere benötigt werden. Zusätzlich forschen Einrichtungen wie beispielsweise die Maastricht University an Alternativen, die das Wachstumsserum des Embryos (und damit auch einen besonders umstrittenen Teil der derzeitigen Prozedur) obsolet machen sollen. Eine realistische Option sind pflanzliche Ansätze wie Algen oder Pilze. Hier wird zur Zeit noch geforscht.

 

Die Entwicklung von In-Vitro-Fleisch befindet sich noch in einem jungen Stadium und muss sich gleichzeitig erst im Markt bewähren. Start-Ups wie Beyond Meat wollen das erste massenproduzierte Fleisch Anfang des nächsten Jahrzehnts in den Handel bringen. Doch schon jetzt gibt es viele überschwängliche, aber auch besorgte Meinungen zum „Fleisch der Zukunft“. Und zwar von Konsumentenseite. Das konnte ebenfalls bei Fokusgruppen-Gesprächen des Karlsruhers Institut für Technologie (KIT) beobachtet werden. So waren sich die Teilnehmer einig, dass Laborfleisch einen effizienteren Ressourceneinsatz fördern und das globale Ernährungsproblem lindern könnte.

 

Andererseits beurteilten die Teilnehmer mögliche gesundheitliche Gefährdungen (Antibiotika-Zusätze, krebserregende Zusatzstoffe) und eine „fortschreitende Entfremdung“ von Mensch und Tier als negativ. Die Befürchtungen sind zum Teil begründet, denn In-Vitro-Fleisch kommt nach aktuellem Stand (noch) nicht ohne Zusätze wie Antibiotika aus, da das gezüchtete Gewebe über keine eigenen Abwehrkräfte gegen Erreger verfügt. Andererseits bietet Laborzucht auch zusätzliche Möglichkeit: dem Fleisch können wichtige Vitamine zugeführen oder der Fettgehalt reduziert werden.

 

 

EINES IST SICHER: ALTERNATIVEN MÜSSEN HER
Viele Konsumenten sind sich der Probleme von Fleisch bewusst und möchten eine Abkehr vom derzeitigen Konsumverhalten. Doch Angst und Unsicherheit überwiegen. Als fester Bestandteil des eigenen Ernährungsplans, wird Fleisch allzu oft als unverzichtbar angesehen. Schließlich gilt Fleisch als wichtiger Proteinlieferant und als „ordentliche“ Nahrung, von der man „noch richtig satt wird“. Und nicht zu Letzt: Fleisch ist für viele ein Lebensgefühl, dass sie sich nicht nehmen lassen wollen. Sprich: Fleisch hat in der westlichen Welt einen hohen Stellenwert.

 

Doch das Interesse an neuen und vor allem ernstzunehmenden Alternativen ist groß. Auch weil das bisherige Angebot, wie zum Beispiel Tofu oder Soja, viele Menschen nicht überzeugt. In-Vitro-Fleisch könnte einen Wendepunkt darstellen. Laut einer Umfrage des deutschen Bundesforschungsministeriums, kann sich eine Mehrheit der Befragten vorstellen, in Zukunft überwiegend Fleisch aus dem Reagenzglas zu verzehren. Konzerne wie Wiesenhof haben diesen Trend bereits erkannt und investieren Kapital und Know-How in eine (möglichst) tierfreie Fleischproduktion, was nicht nur den Kundenwünschen nachkommt, sondern gleichzeitig auch die Lieferketten der Unternehmen verkürzt.

 

 

DER KUNDE MÖCHTE GEHÖRT WERDEN
Fazit: Wenn Laborfleisch all seine bisherigen „Kinderkrankheiten“ hinter sich lässt, ist es eine ernst zunehmende Alternative zu Fleisch. Und das zu annehmbaren Preisen. Kostete ein In-Vitro-Burger anfänglich sagenhafte 200.000 US-Dollar, sind es jetzt nicht einmal mehr 20. Doch letztendlich entscheiden wird nur einer: der Konsument. Und wenn die traditionelle Fleischindustrie – abgesehen von den kleinen regionalen Schlachthöfen – nicht selbst die Initiative ergreift und nach Lösungen sucht, dann werden dies andere Machen. Das Beste Beispiel: Uber im urbanen Personentransport. Es bleibt in jedem Fall spannend.

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